AVWS und Mathematik

AVWS ist eine Teilleistungsschwäche und bedingt damit definitionsgemäß keine Einschränkungen der kognitiven Entwicklung. Deshalb sind Lernschwierigkeiten bei einer AVWS nicht über eine Änderung des Lernzieles, sondern über Erleichterungen hinsichtlich der Hörbedingungen in der Schule zu begegnen. Es macht also keinen Sinn ein Kind in die Vorschule zurückzustufen, einen sonderpädagogischen Status auszusprechen oder eine Klasse wiederholen zu lassen. Mehr vom selben hilft nicht weiter. Wenn das Kind vom Intellekt her eigentlich mehr leisten können müsste, sollte jedwede Maßnahme getroffen werden, die die Situation für das Kind bezüglich Hörwahrnehmung verbessert.

Ein ausgewogenes Programm zu entwickeln um Kindern mit AVWS zu unterstützen ist essentiell. Es sollten die Teilleistungen der Hörwahrnehmung verbessert werden. Das kann durch ein geeignetes Wahrnehmungstraining stattfinden, wie z.B. dem BENAUDIRA Training - eine Ausbildung zur/m BENAUDIRA Trainer/in findet am 14. und 15. November in Wien statt -  hier zur Liste der BENAUDIRA Trainer/innen für Österreich. Kinder brauchen aber auch Unterstützung beim Verhalten und Lernen. Rechnen wird nur durch Rechnen gelernt. Hier die Erklärung warum das so ist:

Oft fehlt die Energie, sich schwierigen Lerninhalten zu widmen.

Um zu verstehen, wie eine AVWS eine Rechenerwerbsschwäche begünstigen kann, ist es wichtig zu verstehen, wie sich eine AVWS im Allgemeinen auswirkt.

 

Kinder mit AVWS haben keine Hörminderung im herkömmlichen Sinn, ABER sie hören anders. Spezielle Geräusche (Frequenzen) sind ihnen besonders unangenehm. Das kann sogar dazu führen, dass sie von bestimmten Tellern wegen der Kratzgeräusche nicht essen oder sich bei lauten Geräuschen verkriechen – z. B. unter der Schulbank. Andere Geräusche werden teilweise aber auch als besonders schön empfunden. Eine AVWS bedeutet NICHT, dass das Kind unmusikalisch sein muss. Die Teilleistung *Höhen erkennen* kann voll intakt sein.

 

Da das Kind mit AVWS durch die notwendige starke Konzentration auf das Heraushören des gesprochenen Worts im Unterricht viel Energie braucht, ist die Aufmerksamkeitsspanne gegenüber von Kindern ohne AVWS oft stark verkürzt. Je nach Persönlichkeit reagieren die Kinder bei Überforderung mit Rückzug oder Aggressivität, Unruhe oder störendem Verhalten. Manche Kinder machen oft selbst Geräusche (Summen, Klopfen, ...), denn selbst erzeugter Lärm ist kontrollierbar und übertönt den Umweltlärm. Oft ist die Energie bis 11 Uhr verbraucht. Manche Kinder schlafen sogar gegen Ende des Schulvormittags regelrecht ein. Kinder der 1. und 2. Klasse neigen manchmal dazu, wieder wie früher ein Mittagsschläfchen zu halten. Kinder die am Nachmittag einen Hort oder eine Ganztagsschulform besuchen sind besonders betroffen. sie sind den ganzen Tag einem Hörstress ausgeliefert.

 

Hilfen:

Zusätzliches Üben am Abend nach einem langen lärmigen Schultag ist nicht sinnvoll. Eine Nachmittagsbetreuung in Gruppen besser vermeiden. Besser wäre zum Beispiel eine Betreuung durch eine Tagesmutter.

 

Lernunlust

 

Da die Erklärungen des Lehrers/der Lehrerin nicht oder nur bruchstückhaft verstanden werden, entsteht Interesselosigkeit und führt allmählich zu einem Motivationsverlust. Begeisterte Schulanfänger verwandeln sich oft sogar in Schulverweigerer. Vor allem wenn die Lehrerin/der Lehrer viel mündlich erklären und wenig Anschauungsmaterial verwenden, ist das für Kinder mit AVWS sehr, sehr anstrengend. Dies kann sich zunehmend auch in der Aufgabensituation und beim häuslichen Üben als Widerstand und Unwille zeigen.

 

Da das Erlernen der Kulturtechnik Rechnen von Erklärungen abhängig ist, wirkt sich die AVWS mit ihrer Konzentrationsschwäche hinderlich aus.

 

Hilfen:

Kurze Einheiten, kurze klare Anweisungen, langsam und laut sprechen, mit Sichtkontakt, viel Materialarbeit, mehrfache Wiederholung, das Kind zum Fragen ermutigen.

 

AVWS kann auch emotional eine ungünstige Entwicklung provozieren.

 

Versagensängste: Wenn das Problem nicht erkannt wird, wird häufig das Verhalten des Kindes missinterpretiert. Beispiel: Mutter oder Lehrkraft erklären etwas, das Kind versteht etwas anderes und gibt in den Augen des Erwachsenen eine unpassende Antwort. Die Reaktion ist im geringsten Fall ein Seufzen und vielleicht ein Satz wie: Mathematik wirst du wohl nie begreifen! Es gibt viele solcher Sätze, die das Kind glauben machen, dumm zu sein.

Kinder mit AVWS leiden unter zu vielen Umweltgeräuschen. Das Verstehen des Gesprochen ist ungenau. Bei Familienfeiern ziehen sich betroffene Kinder zurück und sie besuchen auch nicht gerne Veranstaltungen mit Lärm (Zirkusvorstellungen, Theater, ...) Wenn Sie dennoch *müssen*, halten sie sich die Ohren zu oder werden aggressiv.

 

Mathematik ist Sprache

 

Da AVWS das Wahrnehmen von Gesprochenem beeinträchtigt, sollte nun hinlänglich klar sein, dass auch das Rechnenlernen betroffen sein kann. Mathematisches Lernen ist in mehrfacher Hinsicht auch sprachliches Lernen, Eine AVWS kann das Rechnenlernen im Erstunterricht sogar erheblich stören!

 

Im Mathematikunterricht werden alle Unterrichtsthemen sprachlich entwickelt. Für Kinder ist Mathematik zuerst einmal so etwas wie eine Fremdsprache inklusive Schriftzeichen. Es ist so ähnlich, als wollten Sie Arabisch oder Chinesisch lernen. Auch hier müssen Sie zusätzlich neue Schriftzeichen lernen. Selbst die vertrauten Wörtchen der Alltagssprache wie „und“, „ist“ oder „sind“ bekommen beim Rechnen plötzlich eine andere neue Bedeutung.

 

Einige Zahlwörter sind sich phonetisch sehr ähnlich (16 sechzehn- 60 sechzig). Die Nachsilben -zig und -zehn sind durch so genannte Zischlaute dominiert. Diese Zischlaute liegen im höheren Frequenzbereich, der gerade jener ist, der von Kindern mit AVWS schlechter wahrgenommen wird. Nicht selten schreibt ein Kind *dreißig* anstelle von *dreizehn*, weil *zehn* und *zig* für das Kind gleich klingen.

 

Eine latente Höranstrengung kann vom AVWS betroffenen Kind nicht beliebig kompensiert werden.

 

Konsequentes Anbieten von Material, mit dessen Hilfe die Sachverhalte anschaulich werden. Wenn mit den Mengenblöckchen gelegt wird, so ist der Unterschied zwischen 16 und 60 deutlich zu erkennen und das Kind kann sich unabhängig vom Hören einen richtigen Eindruck machen.

 

Klassensituation - Raumhall

 

 

Betroffene Kinder sollten die Stimme des Lehrers klar und deutlich ohne störende Einflüsse hören können. Dazu sollte man Folgendes wissen:

Raumhall:

Ungünstige akustische Bedingungen im Klassenraum können von Kindern mit einer guten auditiven Verarbeitung und Wahrnehmung gut gemeistert werden, von Kindern mit AVWS hingegen meist gar nicht.

Die Stimme des Lehrers erreicht in der Mitte des Klassenzimmers nur noch einen Pegel von rund 60 dB. Die Neben- und Hintergrundgeräusche in normalen Grundschulkassen betragen etwa 60 dB. Die Stimme des Lehrers ist also nur wenig lauter als der Störlärm; in den hinteren Bankreihen sogar leiser.

 

Bei einem ungünstigen Verhältnis von Nutzschall (Sprache) zu Stör- und Hintergrundgeräuschen kann es bei komplexen Unterrichtsinhalten zu Abbrüchen in der Sinnerfassung kommen. Mathematische Inhalte sind zweifelsohne komplexe Inhalte!

 

Hilfe:

Ein unbedingtes MUSS ist daher, dass der Sitzplatz des Kindes mit AVWS in der

Nähe des Lehrers/der Lehrerin ist. Zusätzlich ist zu beachten, dass sie Lichtquelle, die Fenster, im Rücken des Kindes sind. Bei Gegenlicht würde das Erkennen der Mundmotorik nicht möglich sein. Kinder mit AVWS sind aber darauf angewiesen.