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WIR - das schulische Pluralis Majestatis und die Motivation

Wir haben Probleme bei der Hausübung!“

Wir haben eine 2 auf die Schularbeit bekommen.“

 

Kennen Sie auch solche oder ähnliche Wir-Sätze?

 

Oft kommt es vor, dass Eltern mit ihrem Kind in meine Praxis kommen und bei der Beschreibung der Situation in der Schule oder zu Hause solche Sätze sagen. Eltern identifizieren sich oft schon so stark mit der schulischen Problematik ihres Kindes, dass aus ICH und DU ein WIR wird. Es scheint nur eine sprachliche Sache zu sein. Doch aus systemischer Sicht wirkt es auf Motivation und Verhalten.

 

Das WIR symbolisiert, dass jeglicher therapeutischer und schulischer Erfolg und Misserfolg gemeinsam ertragen wird. Das ist grundsätzlich ehrenwert.

 

Doch so übernimmt zum Beispiel nicht nur die Mutter/der Vater die Probleme des Kindes, sondern auch das Kind die Sorgen von Mutter/Vater. Das hat seine Tücken. Das WIR ist wie eine dritte Person. Weder Eltern noch das Kind kennen dadurch ihre persönlichen Leistungen. Sie können es nicht auseinander halten.

 

Selbst bei einer positiv abgeschlossenen Schularbeit kann es dazu führen, dass Kinder glauben, diese Aufgabe nicht selbst geleistet zu haben. Es war das WIR. Die Leistung der Eltern war es, mit ihrem Kind geübt oder therapeutische Maßnahmen ergriffen zu haben, sodass ihr Kind überhaupt in der Lage war, eine positive Schularbeit zu schreiben. Doch nicht die Eltern haben die Schularbeit geschrieben, sondern das Kind und es konnte die Hilfestellungen anwenden.

 

Eine erste Maßnahme besteht daher darin, das WIR wieder in ein ICH und DU zu trennen. Jeder hat andere Leistungen erbracht und dazu beigetragen, dass sich schulischer Erfolg einstellte.

 

Sollte das WIR nicht in ein ICH und DU getrennt werden, so kann das auch auf das Verhalten und auf die Motivation wirken. Das Kind könnte glauben, dass es Erfolge nicht von alleine und aus eigener Kraft schafft. Warum sollte dann das Kind überhaupt noch Leistung erbringen wollen? 

 

Das kann sich so tief im Gehirn verankern, dass es bis ins Erwachsenenalter wirkt, da sich möglicherweise der Selbstwert nicht ausreichend entwickeln konnte.